400 Kilometer auf der Autobahn
Es nieselt leicht an diesem schon dunklen Herbstabend und die Rücklichter der Autos leuchten mir durch den Dunstschleier entgegen. Entspannt schaue ich auf einen langen Tag zurück und freue mich auf zu Hause. Seit heute morgen schon bin ich unterwegs. Ich höre Musik und fahre gerade mit reduziertem Tempo durch die Autobahn-Baustelle.
"Schon wieder eine Baustelle", denke ich. Es ist ein Gedanke, der einer Randnotiz gleicht. Nichts von Bedeutung. Keine besondere Emotion. Ich hab die Baustelle einfach wahrgenommen. Diese Erkenntnis lässt mich aufhorchen - und schließlich lächeln. Eine Baustelle. Nichts weiter.
Es gab eine Zeit, da war es mir kaum möglich ohne Angstschweiß auf die Autobahn aufzufahren. Das Herz klopfte, der Atem beschleunigte sich, alle Muskeln waren angespannt. Baustellen waren der reinste Horror. Ich hatte eine Angst- und Panikstörung. Eine psychische Erkrankung, wie sie im Laufe des Lebens etwa 15 - 20% der Allgemeinbevölkerung entwickelt.

Eines Tages trat sie ungefragt ein und übernahm mehr und mehr das Steuer...
In der Rückschau kann ich gar nicht mehr genau sagen, wie lange die Angst meine Begleiterin war. Lange Zeit konnte ich nur unbewusst ihren Schatten spüren, sie aber nicht greifen. Es war mir ein Rätsel, wieso ich scheinbar grundlos in den unpassendsten Situationen mit Schwindel zu kämpfen hatte. Warum ich Besuche bei Konzerten, oder im Kino nur ertragen konnte, wenn ich ganz am Rand saß und der Ausgang in Sichtweite lag. Ich zweifelte an mir und fühlte mich "falsch", überempfindlich und einfach "daneben". Darüber zu sprechen viel mir schwer. Wie sollten andere meine völlig unbegründete Unruhe verstehen, wenn ich selber nicht verstand, warum ich mich so anstellte.
Die körperlichen Symptome nahmen zu. Das plötzlich auftretende Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, trieb meinen Puls in die Höhe. Beim Autofahren wurden meine Arme taub und ich hatte das Gefühl, nicht mehr lenken zu können. In meinem Buch "Sieben Tage Sterben und ein ganzes Leben" beschreibe ich, wie die Kombination der beiden Symptome eines Tages bei einer Fahrt auf der Autobahn, zu meiner ersten Panikattacke führte. Ich hatte Todesangst.

"Angst verhindert nicht den Tod, sie verhindert das Leben."
Nagib Mahfuz
Die Angst war in dieser Zeit oft der große Bestimmer. Meine Entscheidungen, meine Aktivitäten - oft hatte die Angst das letzte Wort. Ich schnitt mich mehr und mehr ab von meiner Lebendigkeit, von meinen Träumen. Ich war in mir gefangen.
"Deine Seele verhungert ja." Die Worte klingen noch heute in mir nach. Als ich mich endlich aufgemacht hatte Hilfe zu suchen, sprach mir ein Therapeut diesen Satz direkt ins Herz. Dieser Tag sollte ein Wendepunkt für mich werden.
Ich begann zu forschen, zu tasten, zu suchen. Die Meditation wurde mir zur Heimat und zur Quelle. Eine Verhaltenstherapie half mir, mich der Angst zu stellen und nicht weiter zurück zu weichen. Die Zeit, in der ich Autobahnfahrten vermied, und weite Umwege auf mich nahm - sie sollte zu Ende gehen. Ich übte das Auffahren auf die Autobahn. Lauthals zu meiner Lieblingsmusik singend übte ich bis zur nächsten Autobahnausfahrt durchzuhalten. Dann noch eine Ausfahrt weiter. Manchmal schrie ich dabei laut gegen die Angst an: "ICH bin die Chefin meines Lebens!!!".
Mutig packte ich Veränderungen an, folgte dem Weg meines Herzens und wagte mehr und mehr meine Flügel auszustrecken. Immer wieder mit Tiefschlägen und Rückschritten. Immer wieder mit Selbstzweifeln und mit Tränen. Und doch gab es nur eine Richtung. Zu MIR. Zurück ans Steuer des Lebens.

"Je näher Du Dir selber kommst, desto tiefer reichen Deine Wurzeln."
Karin Hoisl-Schmidt
Das war irgendwann meine Erkenntnis.
Es war ein langer Weg. Wir sprechen nicht von Wochen oder Monaten - wir sprechen von Jahren. So leise und in Etappen Sie sich in mein Leben geschlichen hatte, so schlich sie sich auch mehr und mehr wieder davon. Manchmal, wenn ich schon glaubte, sie sei verschwunden, saß sie plötzlich wieder auf dem Beifahrersitz. Oft in Zeiten, in denen ich wieder begann an mir zu zweifeln. Den Erwartungen von außen mehr Gewicht schenkte, als meiner Sehnsucht. Doch diese Kurzbesuche wurden seltener.

Und irgendwann, war sie dann einfach weg...
Ich hab gar nicht gehört, wie sie sich rausgeschlichen hat. Vielleicht sogar mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht. Nach Jahren war es ihr gelungen, mich in meine Kraft zu bringen. Eine stolze Leistung! Ob sie nochmal zurückkehrt? Sag niemals nie...
Aber nach allem, was mich die Angst gelehrt hat, glaube ich nicht, dass sie noch einmal dauerhaft bei mir einziehen wird. Vielleicht so ein kleiner "Warnbesuch" wenn ich mich wieder verlieren sollte. Das wäre Ok - ich wär ihr in diesem Fall sogar dankbar dafür, mich zu erinnern.

Nichts muss bleiben, wie es ist
Mit meiner Geschichte möchte ich Mut machen. Allen, die vielleicht gerade selbst in einer Krise stecken, oder die Menschen begleiten, die gerade festhängen. Allen, die zweifeln, ob Sie sich Veränderung erlauben dürfen und allen, die das Gefühl haben zwischen Erwartungen und Sehnsucht zu zerspringen. Vielleicht findest Du in meinen Zeilen ein wenig Inspiration. Vielleicht kann ich für Dich die Begleiterin sein, die Dich dazu ermutigt, das Steuer wieder in die Hand zu nehmen. Dann vereinbare gerne einen Termin zum psychologischen Coaching mit mir. Online oder in meiner Praxis. Ich freu mich auf Dich!
