Die Kinder tobten. Ihr Lachen hüpfte auf dem Geräuschteppich des Strandtages wie ein Flummiball. Gerade hatte Peter auf Leonoras Rücken den Sonnenbrandtest gemacht. Er hatte seinen Zeigefinger auf das Schulterblatt gepresst und beobachtet, wie sich beim Abheben des Fingers ein heller Fleck zeigte, der erst nach zwei Sekunden wieder den Hautton des restlichen Schulterblatts annahm. 21, 22 hatte er gezählt. Frau Müller hatte der Klasse erklärt, dass man so feststellen könne, ob bereits ein Sonnenbrand im Anmarsch wäre. „Mama“ schrie er in Richtung seiner Eltern, die ein paar Meter abseits in der Sonne lagen und vor sich hindösten. „Maaaaama“.„Mhhmmm“, brummte es verschlafen vom Strandtuch der Eltern.„Maaaaama, Leonora hat einen Sonnenbrand.“ „Hab ich gar nicht, wandte seine jüngere Schwester ein. „Ich schau gleich“, murmelte Mama Sonja, die langsam aus dem Schlummerschlaf zurückkehrte.
Mein Gott, kann denn niemals Ruhe sein, dachte Uwe, während seine Frau aufstand, die Badetasche nach der Sonnenmilch durchwühlte und zu den Kindern ging. Seit drei Tagen waren sie jetzt hier. Tag für Tag schleppten sie Essen, Getränke, Decken, Handtücher und alle erdenklichen Badeutensilien von der viel zu engen Ferienwohnung hierher an den Strand. Abends dann das ganze Gerümpel wieder sandpaniert zurück. Wie er es hasste, wenn er nachts auf die Toilette ging und im Flur der Sand unter seinen Füßen rieb. Zum Glück brauchten sie in der FKK-Ecke wenigstens keine Badeklamotten. Dieses feuchtsandige Ekelzeugs hätte ihm gerade noch gefehlt. Der Sand saß schon so in jeder Ritze, scheuerte und kratzte.
Er atmete tief durch. Sonja cremte gerade die beiden zappelnden Kinder ein. „Woher nimmt sie nur die Geduld“, dachte Uwe.
Peter quengelte „Ich hab doch gar keinen Sonnenbrand. Das ist voll gemein. Krieg ich dann jetzt wenigstens ein Eis?“. Krieg ich wenigstens ein Eis. Wiederholte Uwe in Gedanken. Pfff. Wenigstens. Klar. Wenigstens, wenn der arme Junge schon mit seinen Eltern Urlaub machen muss. Wenn sein Vater schon auf die Malle-Tour mit seinen Kumpels verzichtet hat, weil Sonja sich diesen Urlaub so sehr gewünscht hatte. Wenigstens. Wenn sie schon viel zu viel Geld für eine viel zu kleine Ferienwohnung bezahlten. Wenigstens ein Eis.
Die Kinder sprangen gerade davon, um sich ein Eis zu holen. Sonja ließ sich mit einem glücklichen Seufzen wieder neben ihren Mann sinken. Sie war so froh, dass Uwe im Urlaub endlich mal wieder ausgiebig Zeit mit der Familie verbringen konnte. Zu Hause stand er ständig unter Strom und kam oft erst spät aus dem Büro. Schön, dass er sich endlich richtig erholen konnte.
Zum Glück, vier ganze Tage lagen noch vor ihnen, dachte sie.
Uwe legte den Arm um Sonja. „Na ja. Nur noch vier mal schlafen“, dachte er.
Schreibwerkstatt mit Arwed Vogel.
Aufgabe: Wähle eine Szene aus einem Wimmelbild von Ali Mitgutsch und schreibe dazu eine Geschichte zum übergeordneten Thema „Täuschung“.
